Andreas Ehlert ist selbstständiger Schornsteinfeger, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf und seit November neuer stellvertretender Vorsitzender von Ordo socialis. Wir haben mit ihm über die Herausforderungen in seinem Beruf und seinem Ehrenamt gesprochen sowie darüber, welche Rolle für ihn die Orientierung an christlicher Sozialethik und Soziallehre in seiner beruflichen, unternehmerischen Praxis spielt.
Ordo socialis: Herr Ehlert, wie sind Sie zu Ihrem Handwerk, zu Ihrem Beruf des Schornsteinfegers gekommen?
Schon mein Urgroßvater, mein Großvater und auch mein Vater waren Schornsteinfeger – ich bin also sozusagen in ihre Fußstapfen getreten. Durch meinen Vater habe ich den Beruf des Schornsteinfegers und auch die Arbeit als selbstständiger Handwerksunternehmer in einem Familienbetrieb unmittelbar kennengelernt. Schon früh war für mich klar: Diesen Weg will ich auch einschlagen. Nach der Schule habe ich deshalb die Ausbildung zum Schornsteinfeger im elterlichen Betrieb begonnen und ein paar Jahre später auch meine Meisterprüfung in Münster absolviert. Danach war ich etwa zehn Jahre als angestellter Schornsteinfeger aktiv, bevor ich 1995 den Weg in die Selbstständigkeit gegangen bin.
Ordo socialis: Wie sieht Ihr Alltag heute als Unternehmer und Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf aus?
Neben meinen Ehrenämtern als Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf und der Dachorganisation des nordrhein-westfälischen Handwerks, Handwerk.NRW, führe ich nach wie vor einen Schornsteinfegerbetrieb mit vier Beschäftigten. Denn das ist mein Beruf – die Kammerpräsidentschaft hingegen ein ehrenamtliches Wahlmandat auf Zeit. Zumindest die ersten zwei Stunden sind deshalb jeden Tag für meinen Betrieb reserviert. In dieser Zeit koordiniere ich Aufträge und führe Gespräche mit meinen Mitarbeitern über anstehende Aufgaben. Aufgrund der zeitaufwendigen Ehrenämter stehe ich nicht mehr jeden Tag auf dem Dach und habe zwei angestellte Meister, die das Tagesgeschäft hervorragend in meinem Sinne abwickeln. Die unternehmerische Leitung liegt aber selbstverständlich in meiner Hand.
Als Handwerkskammerpräsident bin ich der gewählte Vertreter von 60.000 Handwerksbetrieben mit rund 330.000 Beschäftigten im Regierungsbezirk Düsseldorf. Ich vertrete ihre Interessen gegenüber der Politik und in der Öffentlichkeit. Einen typischen Tagesablauf gibt es eigentlich nicht – das macht dieses Ehrenamt auch so spannend und vielseitig. Zu meinem Alltag gehören aber zum Beispiel der Austausch mit Kollegen aus Kreishandwerkerschaften und Innungen, Gespräche mit Kommunal- und Landespolitikern, der Kontakt zu Medien oder die Teilnahme an Veranstaltungen rund um handwerkspolitische Themen. Dabei versuche ich immer zu vermitteln, dass der handwerkliche Mittelstand nicht nur wichtig für unsere Wirtschaft ist, sondern auch für unsere Gesellschaft – als tragende Säule von Bürgertum und Mittelschicht. Normalerweise bin ich als Kammerpräsident im ganzen Regierungsbezirk und oft sogar im gesamten Bundesgebiet unterwegs. Zurzeit findet das meiste aber natürlich pandemiebedingt digital vor meinem Laptop im Büro statt.
Ordo socialis: Was war dabei bisher Ihre größte Herausforderung?
Eine der größten Herausforderungen war für mich als Unternehmer der Beginn der Corona-Krise im März 2020. Das war eine noch nie zuvor dagewesene Situation – niemand wusste, wie es weitergeht. Meine erste Sorge galt meinen Mitarbeitern. Jeder war verunsichert, alle hatten Angst. Und jedem habe ich deshalb gesagt: Egal was kommt, dein Arbeitsplatz ist sicher. Wir stehen das jetzt zusammen durch! Mir war wichtig, gerade in einem Moment größter Unsicherheit besonnen, solidarisch und verantwortungsvoll zu handeln. Gemeinsam haben mein Team und ich es bisher auch geschafft, gut und sicher durch die Pandemie zu kommen.
Ordo socialis: Welchen Stellenwert hat die christliche Ethik für Sie bei Ihrem Engagement für das Handwerk?
Unternehmer sein bedeutet für mich ganz grundlegend, dem ersten Leitsatz der Soziallehre zu folgen, wie ihn Joseph Höffner formuliert hat: „Der Mensch ist der Erstverantwortliche für seinen und seiner Familie Unterhalt.“ Das Handwerk steht wie kaum ein anderer Wirtschaftsbereich dafür, dass jeder Mensch mit einer Berufsausbildung als Grundlage Eigenverantwortung verwirklichen kann. Mit einer qualifizierten Ausbildung im Handwerk hat man beste Voraussetzung, um sein Leben in die eigene Hand zu nehmen oder sogar später Unternehmer seines eigenen Lebens zu werden.
Zudem ist die wirtschaftliche Selbstverwaltung im Handwerk ein wunderbares Beispiel für den Grundsatz der Subsidiarität: Eigenes selbst regeln, statt von einer höheren staatlichen Ebene verwaltet zu werden. Genau dafür gibt es die Handwerkskammern.
Ordo socialis: Welcher sozialen Schieflage, welchem Problem in der Gesellschaft sollte sich aus Ihrer Sicht christliche Sozialethik verstärkt widmen?
Ich sehe vor allem zwei große Probleme der Sozialpolitik unserer Zeit: Wir ignorieren erstens die mangelnde Tragfähigkeit unser sozialen Sicherungssysteme und verspielen so das Vertrauen der Menschen. Wir brauchen eine Antwort auf die Frage, wie Vorsorge angesichts des demografischen Wandels gerade für die jüngeren Generationen gewährleistet werden kann. Zweitens kümmern wir uns zu wenig darum, junge Menschen durch beste Bildung zur Eigenverantwortung zu befähigen. Denn eine gute Ausbildung – egal ob beruflich oder akademisch – ist die beste Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. Stattdessen machen wir den Menschen immer mehr zum Objekt einer nachgelagerten Sozialpolitik, die unnötige Abhängigkeiten schafft. Die christliche Sozialethik sollte demgegenüber deutlich machen, dass gute Bildungs- und Sozialpolitik vor allem „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein muss.